Meinung

Will die EU wirklich Schiffe ins Rote Meer schicken?

Angeblich sollen sie ganz ernsthaft daran arbeiten, die Untergebenen von Josep "Dschungel" Borrell, wie die ganze EU sich an dem US-Einsatz gegen den Jemen beteiligen könne. Dabei wäre das nur eine unnütze Geste der Unterwerfung gegenüber der US-Regierung.
Will die EU wirklich Schiffe ins Rote Meer schicken?Quelle: Gettyimages.ru © Danil Shamkin/NurPhoto

Von Dagmar Henn

Nachdem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Verlauf des Tages zu dem Angriff der USA und Großbritanniens auf den Jemen erklärte, "die Reaktion hat unsere politische Unterstützung", meldete die Tagesschau, die EU plane eine Beteiligung an dem Militäreinsatz im Roten Meer, der von den USA mit dem Namen "Prosperity Guardian", Wächter des Wohlstands, versehen worden war. Grundlage der Meldung sei ein Vorschlag des Auswärtigen Diensts der EU unter der Leitung von Josep Borrell, der am 22. Januar auf einem Treffen der Außenminister behandelt werden soll.

Dieses Vorhaben sei, so der Bericht, ein Ersatz für eine Ausweitung der vor Somalia bereits laufenden Operation "Atalanta" auf den Jemen, die am spanischen Veto gescheitert sei. Öffentlich sichtbar war allerdings ein anderer Ablauf – nach anfänglichen Zusicherungen, sich am US-Einsatz zu beteiligen, hatten unter anderem Frankreich und Spanien ihre Beteiligung zurückgenommen; von den ursprünglich Willigen verblieben zuletzt nur die USA, Großbritannien, Bahrain, Kanada, Australien und die Niederlande, wobei nur die beiden ersten mit eigenen Schiffen im Roten Meer unterwegs sind.

Wenn Borrell also einen derartigen Vorschlag vorlegt, ist noch lange nicht gesichert, dass die EU-Außenminister dem tatsächlich zustimmen werden. Immerhin lautet die klare Aussage seitens der Huthi, Schiffe, die weder israelische Eigner hätten noch Israel anlaufen würden, hätten nichts zu befürchten, und zumindest die taiwanesische Reederei Evergreen hatte dementsprechend erklärt, Israel schlicht aus den Routen zu streichen. Im Internet kursieren inzwischen sogar Gerüchte, Schiffe, die durch den Suezkanal fahren wollten, würden per Funk signalisieren, an Bord befänden sich nur Chinesen.

Die internationalen Reedereien dürften kaum der Auslöser sein, warum plötzlich auf Ebene der EU Druck gemacht wird, sich diesem (völkerrechtlich nicht gedeckten) US-Angriffskrieg anzuschließen. Momentan herrscht, nachdem das Weihnachtsgeschäft längst abgewickelt ist und die Kernstaaten des Westens in Rezession sind, relative Flaute bei der Nachfrage nach Transportkapazitäten, auch wenn in Deutschland Störungen in der Lieferkette von Tesla groß berichtet werden. In einer solchen Lage ist es nicht unwillkommen, den Umweg ums Kap der Guten Hoffnung einzulegen; schließlich lassen sich die Kosten für diese zusätzliche Strecke weiterreichen, während ein nur halb beladenes oder gar stillliegendes Containerschiff bei der Reederei zu Buche schlägt.

Seitens der Bundesregierung sieht es jedenfalls so aus, als würde man das EU-Vorhaben stützen. Annalena Baerbock besaß mit der ihr eigenen Treffsicherheit sogar das diplomatische Geschick, ihre Begeisterung für das US-Vorgehen ausgerechnet in Malaysia zu erklären, einem überwiegend muslimischen Land mit einem großen chinesischen Bevölkerungsanteil, in dem ungebremste Unterstützung der USA auf besondere Gegenliebe stoßen dürfte. Die EU prüfe, "wie wir die Stabilisierung im Roten Meer auch selbst stärken und zu dieser Stabilisierung beitragen können."

Ganz einfach, wäre man versucht zu sagen, fordert endlich von Israel einen Waffenstillstand, und tretet eurem Verbündeten USA auf die Zehen, die Bombenlieferungen zu beenden. Aber so ist das mit der "Stabilisierung" nicht gemeint, obwohl auch Deutschland die Völkermordkonvention unterzeichnet hat und eigentlich verpflichtet wäre, Israel an seinem Vorgehen zu hindern.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes präzisierte Baerbocks Aussage: "Wir als Bundesregierung stehen bereit, uns an einer Mission im Roten Meer zu beteiligen, und sind dazu weiter im engen Kontakt mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst und den anderen Mitgliedsstaaten in der EU." Solle die Bundeswehr teilnehmen, werde man den Bundestag um Zustimmung bitten.

Parlamentarische Zustimmung ist übrigens genau der Punkt, der gerade der Regierung von US-Präsident Joe Biden auf die Füße fällt. Das schreibt Larry Johnson auf seinem Blog dazu:

"Es gibt auch eine interessante rechtliche Frage, die Legitimation für Bidens Anordnung dieses Angriffs betreffend. Er fällt nicht unter die Authorisierung des Einsatzes Militärischer Gewalt (Authorization for the Use of Military Force, AUMF), die 2001 im Gefolge des 11. September erteilt wurde. Obwohl Donald Trump als Präsident die Huthi zur Terrorgruppe erklärte, womit sie womöglich unter AUMF von 2001 fallen würden, hat Joe Biden sie von der Liste gestrichen. Mit welcher rechtlichen Authorität hat Biden also eine Kriegshandlung gegen den Jemen ohne Zustimmung des Kongresses vorgenommen? Mehrere Mitglieder der Partei des Präsidenten schlagen heute Abend deshalb gewaltigen Krach."

Zur weiteren Erheiterung mag man noch hinzufügen, wer denn, von der rechtlichen Grundlage abgesehen, überhaupt einen rechtsgültigen Befehl erteilen konnte, wenn Präsident Joe Biden unter unübersehbaren mentalen Einschränkungen leidet und Verteidigungsminister Lloyd Austin bekanntlich derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung steht. Militär braucht Befehle, die aus einer nicht unterbrochenen Befehlskette stammen, sonst werden die durchgeführten Handlungen zu Verbrechen, für die sie persönlich die Verantwortung tragen...

Wenn man sich fragt, warum in der EU plötzlich dieser Eifer ausbricht, doch irgendwie die Nase in den nächsten Konflikt zu stecken, scheint der wahrscheinlichste Grund US-amerikanischer Druck zu sein. Es ist nämlich weltweit nicht übersehen worden, dass das große Getöne von einem internationalen Bündnis, das den Huthis zeigen werde, wer über die Freiheit der Meere herrsche, am Ende ziemlich mickrig aussah. Militärisch sind die Voraussetzungen für eine Demütigung des Hegemon günstig – Drohnen für ein paar Tausend Dollar gegen Luftabwehrgeschütze mit Raketenpreisen oberhalb der Million, und die Notwendigkeit für die ganze Flugzeugträgergruppe, sich immer mal wieder im Hafen neu zu versorgen, sind nicht günstig für den Goliath USA.

Und dann ist da noch dieser lästige Prozess in Den Haag, der womöglich mit einer weiteren Demütigung endet. Es ist also durchaus vorstellbar, dass an der amerikanischen Leine kurz gezogen wurde, um ein paar mehr Schiffe vor Ort zu haben und am Ende nicht alleine (die Briten, die aus Personalmangel Schiffe stilllegen und die Stellen von Admirälen ausschreiben, zählen nicht wirklich) bekleckert auf weiter Flur stehen.

Vom Fußvolk wird also erwartet, durch Teilnahme die Treue zu bekunden, und Baerbock erklärt sich für willig. Wäre ja auch zu viel verlangt, den Anlass für die Handlungen der Huthi zu beseitigen. Und wenn man sich ohnehin schon durch Bemerkungen wie jene, China erhebe "Gebietsansprüche" auf Taiwan (auch Deutschland hat anerkannt, dass Taiwan ein Teil Chinas ist) weithin sichtbar in die Nesseln setzt, dann richtet so eine vollmundige Aussage vor einem palästinafreundlichen Publikum auch keinen zusätzlichen Schaden mehr an.

Das politische Führungskomitee der Huthi hat, als Reaktion auf den Angriff, erklärt, alle "Interessen" der USA und Großbritanniens seien nun legitime Ziele. Die chinesische Global Times erläutert in einem Kommentar noch einmal ausführlich die Grundlage des Problems, und spottet dann: "US-Außenminister Antony Blinken unternahm in drei Monaten vier Reisen in den Nahen Osten. Er hat so viele Reisen gemacht, aber kann nicht einmal das Wort "sofortiger Waffenstillstand" sagen." Niemanden weltweit, schon gar nicht die Huthi, wird es beeindrucken, wenn noch ein paar Schiffe aus der EU zusätzlich in der Zufahrt zum Roten Meer herumfahren. Aber womöglich tröstet es Biden.

Einen Beschluss des UN-Sicherheitsrats, der einen solchen Einsatz legalisieren würde, wird es jedenfalls nicht geben; nach neun Jahren Krieg, in dem sie Saudi-Arabien und all seine Verbündeten besiegten, werden die Huthi das, was die USA ihnen antun können, lächelnd wegstecken; auch, weil es genügen würde, ein einziges Schiff der USA (oder ihrer Verbündeten) zu versenken, um als Sieger zu gelten. Es ist nichts als Schmach im Angebot für die EU.

Nur, vielleicht liegt schlicht Berlin zu nah an CENTCOM, und es erweist sich, dass die übrigen EU-Außenminister es vorziehen, die Wohlstandswacht anderen zu überlassen. Schließlich ist die deutsche Position zu Israel, die sich von dieser Frage nicht trennen lässt, in Brüssel mitnichten überall auf Gegenliebe gestoßen, als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sogleich bedingungslose Solidarität mit Tel Aviv verkündete. Im Verlauf der letzten zwei Monate ist die Zuneigung zu dieser Position nicht gewachsen; nicht umsonst hat eine irische Anwältin vor dem Internationalen Gerichtshofs eines der Plädoyers für den südafrikanischen Antrag gehalten. Sollten die Vereinigten Staaten demnächst durch einen entsprechenden Beschluss in Den Haag den letzten Rest ihres internationalen Ansehens verlieren, möchte man etwa in Madrid oder womöglich auch in Rom nicht unbedingt dabei erwischt werden, wie man mit ihnen Händchen hält.

Man sollte also die Meldung der Tagesschau nicht allzu ernst nehmen. Ob aus diesen von Baerbock und Borrell im Interesse der USA vorgetragenen Plänen etwas wird, ist noch lange nicht sicher. Und wer weiß – das Gericht in Den Haag reagierte ausgesprochen schnell auf die südafrikanische Klage; womöglich ergeht die Entscheidung schon vor Ende Januar und verhagelt das Außenministertreffen gänzlich. Dann könnten zumindest jene europäischen Regierungen mit Restvernunft damit beschäftigt sein, ihre Position neu zu klären. Die deutsche ist jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht darunter.

Wie es den Teilnehmern der glorreichen US-Mission ergehen dürfte, hat Bernhard von Moon of Alabama treffend zusammengefasst:

"Wenn ich Seemann auf einem Schiff der US-Navy im Roten Meer oder im Persischen Golf wäre, ich würde eine Schwimmweste anlegen und an Deck schlafen."

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