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Der Westen versucht, die ukrainische Offensive durch Langstreckenraketen zu retten

Frankreich verkündete die Entscheidung, Langstreckenraketen des Typs SCALP-EG an Kiew zu liefern. Diese Ankündigung erfolgt vor dem Hintergrund der Äußerung des NATO-Generalsekretärs über einen katastrophalen Munitionsmangel beim ukrainischen Militär.
Der Westen versucht, die ukrainische Offensive durch Langstreckenraketen zu rettenQuelle: AFP © RABIH MOGHRABI

Von Jewgeni Posdnjakow

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, dass Paris Raketen mit großer Reichweite an die Ukraine übergeben wolle. Dies sagte er vor dem Beginn des NATO-Gipfels in Vilnius. Die Entscheidung habe der französische Präsident persönlich getroffen. Seiner Meinung nach werde diese Maßnahme dem ukrainischen Militär erlauben, "das eigene Gebiet besser zu schützen".

Dabei begann Frankreich bereits, Raketen des Typs SCALP-EG an die Ukraine zu liefern, wie die Nachrichtenagentur TASS unter Verweis auf Agence France-Presse berichtete. Die ersten Geschosse sollen zum Zeitpunkt der Ankündigung Macrons geliefert worden sein. Reuters meldete, dass es sich um eine "beträchtliche Anzahl" handele.

SCALP-EG stellt die französische Version der Rakete Storm Shadow dar. Ihr Wirkungsradius beträgt etwa 250 Kilometer. Das ukrainische Militär wird mit diesen Raketen Flugzeuge aus noch sowjetischer Produktion, die Su-24, ausrüsten. Frankreich ist der Ansicht, dass neue Lieferungen keine Eskalation des Konflikts darstellen würden, da es sich um einen "Kräfteausgleich" mit Russland handele.

"SCALP-EG und Storm Shadow sind Raketen, die vom selben britisch-französischen Konzern hergestellt wurden. Ihre technischen Daten unterscheiden sich in keiner Weise voneinander. Der einzige Unterschied sind die Abschussvorrichtungen. Paris versuchte, sie in einem größeren Maß an die eigene Technik zu adaptieren", erklärte der Militärexperte Alexei Leonkow.

"Das ukrainische Militär sollte keine Probleme haben, diese Raketen abzufeuern. NATO-Spezialisten hatten das Flugwerk der Su-24 bereits angepasst, wodurch diese Flugzeuge zwei Raketen gleichzeitig tragen können. Ja, eine gewisse Anpassung der Abschussvorrichtung könnte sich als notwendig erweisen, doch ich denke nicht, dass dies viel Zeit in Anspruch nehmen wird", bemerkte er.

"Andererseits hat die Ukraine recht viele der modernisierten Su-24 verloren. Sollte das Problem ein kritisches Ausmaß annehmen, könnte sich der Westen dazu entschließen, Flugzeuge zu liefern, bei denen sowohl Storm Shadow als auch SCALP-EG integriert sind", vermutete Leonkow.

Experten sind der Ansicht, dass Macrons Entscheidung bedingt sein könnte durch den gravierenden Mangel an Raketen des Typs Storm Shadow. Die Ukraine verbraucht sie schneller, als es die Analysten der NATO vermuteten. Darüber hinaus spielen die russischen Präzisionsangriffe auf Waffenlager eine herausragende Rolle, da sie nicht nur die Vorräte von Langstreckenraketen, sondern das Vorhandensein von Munition insgesamt beeinträchtigen.

Insbesondere behauptete der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass beim ukrainischen Militär ein "kolossaler Bedarf" an Munition herrsche. Davon berichtete die Nachrichtenagentur TASS. Es wird nicht leicht sein, den entstandenen Mangel zu beheben, denn in den westlichen Ländern bleibt das Produktionstempo von Waffen niedrig.

Stoltenberg betonte, dass sich der laufende Konflikt längst in einen "Abnutzungskrieg" beziehungsweise einen "Krieg der Logistik" verwandelt habe. Er bemerkte, dass die Partner der Ukraine viel Zeit brauchen würden, um sich an den Bedarf des ukrainischen Militärs anzupassen. "Die Staaten der NATO haben ihre Vorräte ausgeschöpft", betonte der Generalsekretär.

Ferner äußerte er die Hoffnung, dass es den NATO-Staaten gelingen werde, das entstandene Defizit zu überwinden, da zahlreiche Mitglieder jetzt schon begonnen hätten, Langzeitverträge über den Erwerb großer Waffenmengen abzuschließen. Darüber hinaus betonte Stoltenberg, dass unter Berücksichtigung der entstandenen Lage die Entscheidung der USA, Streumunition an die Ukraine zu liefern, "akzeptabel" erscheine.

Somit erscheint die Lieferung von Streumunition an die Ukraine als eine Anerkennung der Hilflosigkeit der westlichen Länder, den Verlauf der ersten Phase der ukrainischen Offensive zu beeinflussen. In diese Logik fallen auch Raketenlieferungen aus Frankreich. Dabei werden die NATO-Länder die Lieferungen solcher Waffen mit großer Wahrscheinlichkeit steigern.

"Es ist wichtig, zu verstehen, dass Flügelraketen, wie es SCALP-EG und Storm Shadow sind, im Rahmen eines bewaffneten Konflikts teures Verbrauchsmaterial darstellen. Jeder Staat, der sich an einem Krieg beteiligt, wird immer unter Munitionsmangel leiden, egal wie umfangreich die auswärtige Hilfe ist", sagte Sergei Denissenzew, ein Experte des Zentrums für Analyse, Strategien und Technologien.

"Deswegen werden die westlichen Staaten in nächster Zukunft wohl versuchen, die Lieferungen ans ukrainische Militär gerade im Bereich der Langstreckenwaffen zu intensivieren. Insbesondere wird die NATO versuchen, den Bedarf der Ukraine an Angriffsmitteln für Ziele im Hinterland zu decken: Munitionsdepots, logistische Knoten und Stäbe", betonte der Experte.

"Möglicherweise sind solche Aktionen des Gegners durch einen Wechsel der Strategie der Kampfführung verursacht. Statt einer direkten Offensive könnte das ukrainische Militär durch regelmäßige Raketenangriffe versuchen, Russlands wirtschaftliche Tätigkeit in den neuen Gebieten zu untergraben", vermutete Denissenzew.

Dennoch hat Russland bei der Bekämpfung der Storm Shadow-Raketen, von denen nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums 27 Stück abgeschossen wurden, einen wichtigen Vorteil. In der vergangenen Woche wurde nämlich eine Rakete erbeutet, deren Geheimnisse und Schwachstellen nun von russischen Spezialisten erforscht werden. Und weil SCALP-EG den Storm Shadow entsprechen, wird es leichter sein, sie mit Mitteln der Luftabwehr und der elektronischen Kriegsführung zu bekämpfen.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad.

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