Geschichtsvergessene Grüne Jugend: Operation Barbarossa "Höhepunkt" russischer Eroberungspolitik
Von Mirko Lehmann
Seit vor einem Jahr Russland seine militärische Sonderoperation in der Ukraine begonnen hat, überschlagen sich in den NATO-Ländern Politik und Medien mit Vorwürfen an die Adresse Russlands. Dabei werden oft längst überwunden geglaubte Klischees und Geschichtsbilder aufgewärmt – wobei historische Sachverhalte, Ereignisse und Prozesse häufig verfälscht, durcheinander gebracht, geradezu auf den Kopf gestellt werden. Zeitliche Reihenfolge und Begriffe geraten dabei oft durcheinander.
Am Samstag hat die Jugendorganisation von Bündnis 90/Die Grünen in München, die Grüne Jugend München, auf Instagram eine Kostprobe ihres vermeintlichen geschichtlichen Wissens gegeben. Die Nachwuchs-Grünen fühlten sich berufen, per Instagram ihre neuesten "Erkenntnisse" über die Geschichte Russlands in die weite Welt zu verbreiten. Unter einer Grafik mit der russischen Trikolore und dem propagandistischen Schriftzug "Russland ist ein Kolonialstaat" schrieben die jungen Grünen:
"Russland wollte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die 'Riege der europäischen Großmächte' aufsteigen. Das große russische Reich konnte seine damalige Größe nur durch Siedlungseroberung erreichen, wobei die Expansion nicht nach Übersee sondern auf den Norden, asiatische Nachbarländer und die indigene Bevölkerung im Süden abzielte. Den damaligen Höhepunkt stellte 1941 die 'Operation Barbarossa' dar."
Daraufhin gab es Nachfragen, und ein geistesgegenwärtiger Nutzer sicherte die bemerkenswerten Aussagen der jungen Grünen.
Was war die "Operation Barbarossa"? Und ich dachte immer, dass es der Angriff vom 3. Reich auf die UDSSR war. Wieder etwas dazugelernt von der GJ pic.twitter.com/o83DDcLeAl
— Adrian🌹 (@Adrianhartg) February 25, 2023
Diese twitterten daraufhin schmallippig:
"Bei dieser Recherche ist und ein Fehler unterlaufen. Das tut uns leid. Wir haben den Post gelöscht."
Bei dieser Recherche ist und ein Fehler unterlaufen. Das tut uns leid. Wir haben den Post gelöscht.
— GRÜNE JUGEND München (@gj_muenchen) February 25, 2023
Dass die Nachwuchsgrünen ihre Schwierigkeiten mit der Zählung der Jahrhunderte haben, verbindet sie mit der Bundesaußenministerin und ehemaligen Grünen-Parteivorsitzenden.
Allerdings zeugen die stümperhaften Bemerkungen zur Rolle Russlands im 19. Jahrhundert von keinen angeeigneten Kenntnissen, noch nicht einmal von abgeschriebenem Handbuchwissen. Die betreffenden zwei Sätze lesen sich wie ein schlecht vorbereiterter Spickzettel eines Schülers, der zum wiederholten Male durch die Prüfung zu rasseln droht.
Wie die Grüne Jugend München auf den Begriff "Operation Barbarossa" kommt, ist die nächste und möglicherweise interessantere Frage. Denn im Deutschen heißt der Angriffs-, Eroberungs- und Vernichtungskrieg Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion "Unternehmen Barbarossa". Hat man vielleicht zu viel 'gegoogelt' und maschinell aus dem Englischen übersetzt? Gab es eine englischsprachige Vorlage? Der "Kolonialstaat" erinnert an die sogenannten "Post-Colonial Studies". Hier könnte man sich an einer – noch dazu sehr platten – Übertragung des dahinterstehenden Konzepts auf die russische Geschichte versucht haben.
Das größte Rätsel gibt jedoch die Frage auf, wie man bei der grünen Nachwuchsgruppe in München darauf verfallen konnte, den deutschen Überfall auf die UdSSR Russland in die Schuhe zu schieben. Ist man bei der "Recherche" durcheinandergekommen, weil man zu viel geschichtsrevisionistische Machwerke konsumiert hat? Dem heutigen Zeitgeist entspricht allerdings diese beispiellose Geschichtsklitterung, bei der aber auch alles verdreht und verkehrt ist. Einzig erkennbar ist der sehnliche Wunsch, das Menschheitsverbrechen des deutschen Eroberungs- und Vernichtungskrieges nun Russland anzuhängen – wider alle historischen Tatbestände. Die Grüne Jugend demonstriert mit diesem Fauxpas geradezu ein Musterbeispiel historischer Schuldumkehr.
Mehr zum Thema – Der neue Russenhass in Deutschland: Tschaikowski, Puschkin und Co. – wirklich alles Untermenschen?
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.