Gesellschaft

Ist Bärbel Bas schwerhörig? – "Viele Bürger sind mir zu leise"

Zwar hält sie kraft Amtes keine Fernsehansprachen zu Weihnachten oder Silvester, doch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bekam ein längeres Interview vom Berliner Tagesspiegel. Wohl eher unfreiwillig gab die SPD-Politikerin preis, wie abgehoben die politische Klasse vom Alltag der Normalbürger ist.
Ist Bärbel Bas schwerhörig? – "Viele Bürger sind mir zu leise"Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Ervin Monn via www.imago-images.de

Von Mirko Lehmann

Zum Jahresende haben die beiden Tagesspiegel-Journalisten Felix Hackenbruch und Caspar Schwietering ein Interview mit der SPD-Abgeordneten Bärbel Bas geführt, die nach der Wahl 2021 Nachfolgerin des kürzlich verstorbenen Wolfgang Schäuble als Bundestagspräsidentin wurde.

Das Interview ist ein Musterbeispiel dafür, wie hierzulande Politik und Medien die zwei Seiten einer Medaille bilden: Dysfunktionale, weil beschädigte Institutionen, in Kombination mit mangelhafter Repräsentation der Mehrheitsinteressen.

Die Presse fungiert als serviler oder antreibender Stichwortgeber für eine neoliberal-globalistische Kriegspolitik, nicht als deren kritisches Korrektiv. Politiker antworten in "leichter Sprache". Tatsächlich verkürzen und verdrehen sie auf diese Weise Zusammenhänge, blenden relevante Tatbestände ganz aus und lenken von eigentlichen Interessen ab. Wie diese Art von Verschleierung funktioniert, zeigt das aktuelle Interview mit der Bundestagspräsidentin exemplarisch.

Schon die Unterzeile setzt den Ton: "Die SPD-Politikerin mahnt mehr Engagement gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit an. Die Bürger fordert sie auf, die Demokratie zu schützen." Eigentlich kann sich der Zeitungsleser nun die Lektüre sparen. Denn es folgen die sattsam bekannten, selbstgefälligen Phrasen einer abgehobenen Polit-Kaste, die Empathie mit den "kleinen Leuten" nur noch vortäuschen kann, gerade wenn sie von sozialen Fragen spricht.

Klima-Agenda und Heizungspläne

So verteidigt Bas das von der Ampelkoalition auf Biegen und Brechen durchgedrückte "Heizungsgesetz", in das "die Abgeordneten noch viele gute Punkte hineingeschrieben" hätten. Bas räumt zwar ein, dass "diese Verbesserungen des Gesetzentwurfes" (welche sollten das gewesen sein?) am Ende "fast niemand mehr mitbekommen" habe. Und behauptet sogar, dass sie grundsätzlich positive Rückmeldungen aus ihrem Wahlkreis in Duisburg für die Heizungspläne der Berliner Regierung bekommen habe:

"Viele fanden eine klimaneutrale Heizung erst einmal gut. Und dann haben ihnen die Handwerksbetriebe gesagt, dass die energetische Sanierung ihres mühsam abgezahlten Zechenhauses 100.000 Euro kosten wird. Da sind die Leute ausgestiegen. Diese Perspektive haben wir aus dem Blick verloren. Die Menschen hatten den Eindruck, dass wir morgen ihre Heizung aus dem Keller rausreißen. Wir haben in den Heizungskeller hineinregiert."

Aber nicht nur, dass Bas suggeriert, in der Klimafrage gäbe es keine zwei Meinungen. Selbst wenn sie Fehler der Koalition scheinbar zugibt ("Wir haben in den Heizungskeller hineinregiert"), lässt sie dies als bloßes Vermittlungsproblem erscheinen ("Die Menschen hatten den Eindruck..."), nicht aber als politischen Fehler an sich. Denn das "Heizungsgesetz" war von vornherein überflüssig, ist und bleibt zutiefst unsozial und dient letztlich nur dem nach neuen Anlagemöglichkeiten suchenden Kapital.

Dabei hat Bas die behauptete Sorge um die Demokratie entweder selbst nicht im Ansatz begriffen oder bloß geheuchelt. Wie wäre sonst die Aussage zu erklären, ihre Aufgabe als Bundestagspräsidentin sei es, "auf saubere Verfahren zu achten". Bas meint, dies extra betonen zu müssen, ungeachtet aller von der übergroßen Bundestagsmehrheit missachteten demokratischen Prinzipien – Stichwort Wahl des Bundestagsvizepräsidenten, um nur ein Beispiel zu nennen.

Wie konträr zu den Interessen der Mehrheit die politische Klasse handelt, offenbart Bas' Antwort auf den von den Interviewern angesprochenen Widerspruch von Kürzungen und steigenden Kosten beim Tanken und Heizen ("CO₂-Preis") in Deutschland einerseits und fortgesetzten, ja verdoppelten deutschen Finanzhilfen und Rüstungslieferungen an die Ukraine andererseits. Schwer zu übertreffen ist die Chuzpe, mit der eine Bärbel Bas in einer Mischung aus Selbstmitleid, Heuchelei, Projektion und Arroganz dem zweifelnden und unter wirtschaftlichem Niedergang leidenden Volk kurz und knapp erklärt:

"Wir müssen das aushalten, sonst droht die Demokratie Schaden zu nehmen. Ich bin froh, dass zu diesem Thema jeder bei uns seine Meinung äußern kann. Zugleich ist es richtig, dass wir Verfolgte und vor dem Krieg fliehende Menschen bei uns aufnehmen und die Ukraine gegen den russischen Angriff unterstützen. Dabei stimmen mir viele Menschen zu."

Will heißen: Gleichgültig, was die Wähler wollen, die Umverteilungspolitik unter dem "Klima"-Etikett von unten nach oben wird ebenso fortgesetzt wie die vasallenhafte deutsche Unterstützung für die USA und deren Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine. Eine abweichende Meinung und Unbotmäßigkeit gegenüber den US-Vorgaben würden die "Demokratie" gefährden.

Meinungsfreiheit?

Immerhin tat Bas gar nicht erst so, als ob eine vom Mainstream abweichende Meinung wirklich frei geäußert werden könnte. Über die möglichen Folgen solch freimütiger Äußerungen schwieg sich Bas bezeichnenderweise aus. So werden Repression und Kriminalisierung dissidenter Stimmen von Politik und angeschlossenen Medien konsequent beschwiegen. Denn was im "besten Deutschland" geschehen kann, wenn nicht-konforme Meinungen öffentlichkeitswirksam werden, lässt sich anhand zahlreicher Razzien, Hausdurchsuchungen, Gerichtsprozesse und Haftstrafen – einschließlich weit ausgedehnter Untersuchungshaft – allein im zu Ende gehenden Jahr verfolgen. Beispielhaft seien nur die Namen Michael Ballweg, Reiner Füllmich, Rudolph Bauer, Christian Dettmer oder Elena Kolbasnikowa genannt.

Doch zurück zu Bärbel Bas: Sie sagt im Prinzip nichts anderes als Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die schon vor Jahr und Tag bekundete, es sei ihr gleich, was ihre deutschen Wähler denken, die deutsche Unterstützung für die Ukraine müsse fortgesetzt werden.

Bekannt auch die Anmaßung, abweichende Meinungen als undemokratisch zu diffamieren. Bezeichnend für den Bewusstseinszustand der politisch-medialen Klasse ist Bas' Aussage: "Wir müssen das aushalten." Der Sonnenkönig hätte es nicht treffender formulieren können. Aber wer ist dieses "Wir"? Etwa die schwer leidgeprüften und völlig unterbezahlten Abgeordneten des Deutschen Bundestages (Ironie aus)?

Und um sich ganz sicher gegen jegliche Kritik abzuschirmen, zieht Bas die Ukraine-Karte, indem sie das Thema Meinungsfreiheit mit der Flüchtlingsfrage verknüpft. Denn wer sollte schon etwas dagegen haben, "vor dem Krieg fliehende Menschen" aufzunehmen? Der argumentative Kunstgriff besteht darin, eigentlich Disparates und sachlich voneinander Getrenntes so auf der emotionalen Ebene miteinander zu verbinden, dass sich ein Einspruch gegen diese Verkoppelung moralisch scheinbar verbietet. Damit dieser Trick funktioniert, müssen Details, Zusammenhänge und Hintergründe unerwähnt bleiben. Eigentlich hatten die Interviewer ja nach dem Heizungsgesetz und den steigenden Kosten gefragt...

Repressive Moral

So erhofft sich Bas über die Weihnachtspause Besinnung – vorzugsweise bei den anderen. Auf das "höhnische Gelächter" (Tagesspiegel) angesprochen, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) während seiner Regierungserklärung zur Haushaltskrise im Bundestag erntete, lenkt Bas ab. Angeblich habe sie nichts gegen "harte Auseinandersetzungen in der Sache". Doch genau diese verweigern Politik und Medien, indem sie – siehe oben – abweichende Meinungen gar nicht erst redlich abbilden oder gleich sanktionieren. So verlangt die Bundestagspräsidentin eine verschärfte Repression – nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Parlament:

"Ich würde gerne eine Regel wie beim Fußball einführen: Erst eine gelbe und dann eine gelb-rote Karte. Nach mehreren Störungen gäbe es automatisch ein Ordnungsgeld. Zurzeit liegt das bei 1.000 Euro, ich würde es gerne auf mindestens 2.000 Euro erhöhen."

Als Begründung für ihre Pläne behauptet Bas einfach: "Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die sammeln Ordnungsrufe wie Trophäen. Manche feiern sich dafür."

Wie so ein eingeschränkter parlamentarischer Debattenraum aussieht, dafür gab das Agieren der Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) einen Vorgeschmack, als sie die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch ohne sachlichen Grund zur Ordnung rief und ihr eine Entgegnung verweigerte.

Kein Wunder, dass Bärbel Bas auch mehr Befugnisse für die Bundestagspolizei einfordert und es begrüßt, dass diese nun uniformiert statt in Zivil im Parlament auftritt.

Konsequenterweise beruft sich Bas auf den verstorbenen Wolfgang Schäuble, der zeit seines Politikerdaseins nicht gerade ein Paradebeispiel für faire und offene Debattenkultur abgegeben hat. Von Schäuble behauptete Bas, dass er ein "Verfechter des demokratischen Streits" gewesen sei, "dem eines immer wichtig war: Es darf inhaltlich hart zur Sache gehen, aber die politische Auseinandersetzung muss fair und von dem Respekt vor dem politischen Gegner getragen sein."

Wie blanker Hohn mutet auch diese Aussage über Schäuble an:

"Diese freie und offene Diskussionskultur zu erhalten, war ihm vor allem als Parlamentspräsident ein grundlegendes Anliegen, das er mit der ihm eigenen souveränen Art durchzusetzen wusste."

Nun, wer die Ordnungsgelder im Bundestag heraufsetzen möchte, dem ist ein autoritärer, "demokratischer Anti-Demokrat" sicher ein "großes Vorbild".

Doppelte Standards

Auf den breiten Graben, der um das Reichstagsgebäude herum angelegt wird, angesprochen, behauptet Bas, es gehe dem Bundestag nicht um Abschottung. Angeblich sei das Parlament "offen und bürgernah". Weil man ein "offenes Haus" bleiben wolle, baue man ein "Besucherzentrum" – vor dem Reichstag. Für ihre Behauptung "Rechtspopulisten greifen die Demokratie immer mehr an" wärmt Bas die Legende vom angeblichen Sturm auf den Reichstag im Sommer 2020 wieder auf. "2020 stürmten Demonstranten einer Querdenker-Demo die Westtreppe des Reichstags."

Diese Aktion, die nur dank einer ausgedünnten Polizeikette möglich war, stellte eine offenkundige Inszenierung dar, von der man nicht weiß, wer dahintersteckte und inwieweit Politik und Polizei nicht vorab informiert waren oder sie sogar zugelassen haben, nur um die bekannten drastischen Bilder zu erhalten ‒ diese dubiose Aktion einiger wirrer Demonstranten dient Bas als Überleitung, um allen Ernstes wieder an den nicht minder dubiosen, gerade noch verhinderten "Rollator-Putsch" zu erinnern und eine Gefahr an die Wand zu malen:

"Und es gibt die Reichsbürger um die frühere AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, die konkrete Vorbereitungen getroffen haben sollen, um mit einer bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen. Zum Glück ist diese Gruppe vorher festgenommen worden, die Bundesanwaltschaft hat jetzt Anklage erhoben. Deshalb haben wir die Sicherheitsmaßnahmen hochgefahren."

Wie sehr der Mainstream mit doppelten Maßstäben misst, verdeutlicht Bärbel Bas mit ihrem Verständnis für Aktionen der Gruppe "Letzte Generation":

"Zuletzt hat die Letzte Generation im Bundestag zweimal den Feuermelder gedrückt. Sie waren ganz normal als Besuchergruppe angemeldet. Eine solche Aktion kann man nicht vollständig verhindern."

Auf so viel Nachsicht dürfen "Querdenker"-Demonstranten, AfD-Fraktion und die vermeintlichen Rollator-Verschwörer von der Bundestagspräsidentin nicht hoffen, auch wenn sie, im Unterschied zur "Letzten Generation", noch nicht in den Bundestag eingedrungen und noch nicht für strafbare Handlungen verurteilt worden sind. Zweimal falschen Feueralarm im Bundestag auszulösen, ist für eine Bärbel Bas vermutlich eine Art Schülerstreich im Dienste des "Klimanotstands". Wie auch immer das Auslösen eines Fehlalarms juristisch zu bewerten ist, die "Aktion" passt in die globalistische Transformationsagenda – und geht für die SPD-Frau daher in Ordnung.

Damit Politik und die ihr angeschlossenen Medien aber nicht allein mit der Bekämpfung missliebiger Meinungen zu tun haben, fordert Bas die Bürger auf, unter den einschlägigen Schlagworten gegen die Oppositionelle aktiv zu werden:

"Wir stellen fest, dass drei Landesverbände der AfD als rechtsextrem eingestuft sind. Und unsere Sicherheitsbehörden beobachten die Entwicklung aufmerksam."

Jeder Aktivismus gegen "Rechts" – wie auch immer jeweils definiert – kann sich damit auch auf die Bundestagspräsidentin berufen:

"Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus verschwinden nicht einfach. Angesichts dieser Gefahren sind mir viele Bürgerinnen und Bürger zu leise."

Das Dechiffrieren von Bas' Antworten verlangt nach der Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen. Man darf unterstellen: Gemeint ist von ihr oftmals das Gegenteil des Gesagten. Bärbel Bas propagiert die komplette Agenda aus "political correctness", "cancel culture" und "wokeness". Dass die Mehrheit der deutschen Gesellschaft mit diesen politischen Konzepten, die nicht von ungefähr englische Bezeichnungen tragen, und der gegen ihre Interessen gerichteten Politik nichts anzufangen weiß, will der SPD-Politikerin nicht in den Sinn kommen. Nicht die Bürger sind zu leise. Gegen die undemokratischen Corona-Maßnahmen sind schließlich Millionen friedliche und harmlose Demonstranten völlig grundgesetzkonform auf die Straße gegangen – und wurden, sogar mit dem Grundgesetz in der Hand, oft mit brutaler Polizeigewalt niedergeknüppelt. Vielmehr ist Bärbel Bas schwerhörig, im politischen Sinne. Diese Schwerhörigkeit ist eine bewusst gewollte. Zu deren Folgen zählt der Verrat.

Mehr zum Thema - Total entgrenzte Staatsmacht – "Der Neue Faschismus, der keiner sein will"

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.