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Interview mit Krimtataren-Vertreter: "Putin gab uns unsere Rechte, nicht die Ukraine" - Teil 1

Im Interview mit RT Deutsch hat der Vertreter der "Stiftung zur Entwicklung der Krim", Ünver Sel, mit der westlichen Berichterstattung über die Krimtataren abgerechnet. Seiner Meinung nach wird ein ganzes Volk für antirussische Propaganda missbraucht.
Interview mit Krimtataren-Vertreter: "Putin gab uns unsere Rechte, nicht die Ukraine" - Teil 1

von Ali Özkök

Die "Stiftung zur Entwicklung der Krim" (auf Türkisch: "Kırım Kalkınma Vakfı") mit Sitz in der türkischen Hauptstadt engagiert sich für einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Dialog zwischen der Bevölkerung der Krim auf der einen sowie der russischen und türkischen Regierung auf der anderen Seite. In der Türkei lebt mit bis zu fünf Millionen Menschen die weltweit größte krimtatarische Diaspora.

Die Vereinten Nationen berichten von schweren Menschenrechtsverletzungen auf der Krim. Russland wird beschuldigt, die Krimtataren zu unterdrücken. Was ist Ihre Erfahrung?

Der Bericht der Vereinten Nationen über schwere Menschenrechtsverletzungen auf der Krim ist nicht objektiv. Man kann auch sagen, dass der Bericht parteiisch verfasst wurde.

Während der Zeit unter der Regierung der Ukraine wurden einige fragwürdige Organisationen gemäß der Gesetze in Kiew nicht als kriminelle oder terroristische Organisationen betrachtet. Zum Beispiel operierten auf der Krim die islamistische Hizb-ut-Tahrir-Organisation, die Gülenisten und viele andere wahhabitisch-islamistische Gruppen. Solche extremistischen Strukturen gelten nach russischem Recht und in vielen anderen Ländern auch als kriminelle Organisationen, und ihre Aktivitäten sind nicht erlaubt.

Nachdem die Krim 2014 im Zuge eines Referendums der Russischen Föderation beitrat, mussten Angehörige dieser Organisationen die Krim verlassen. Die meisten flohen in die Ukraine. Wer nicht in die Ukraine fliehen konnte, wurde von der russischen Strafverfolgung vorgeladen. Ein solches Vorgehen, bei dem einzelne extremistische Gruppen zur Verantwortung gezogen wurden, kann aber nicht als Druck auf Krimtataren in ihrer Gesamtheit bezeichnet werden, denn diese wurden im Rahmen ihrer Traditionen und Gepflogenheiten nie bedrängt.

Auf der anderen Seite war die sogenannte "Kırım Tatar Milli Meclisi"-Organisation (zu Deutsch: "Medschlis des Krimtatarischen Volkes"), die während der ukrainischen Ära auf der Krim tätig war und von Mustafa Dschemiljew angeführt wird, unter dem ukrainischen Regime auch nicht legal. Die Medschlis gerierte sich als krimtatarisches Parlament, aber auch zu ukrainischen Zeiten war sie lediglich eine Nichtregierungsorganisation.

Nach dem Beitritt der Krim zum russischen Staat hat sich die "Kırım Meclisi" nicht nach russischem Recht registrieren lassen. Die russische Staatsanwaltschaft verbot der Organisation wegen der Befürwortung von Extremismus und Terrorismus schlichtweg die Betätigung. Diese Bewegung stellte sich quer und nicht in den Dienst der Krim. Auch in diesem Fall kann man nicht behaupten, dass die Krimtataren als Ethnie unterdrückt werden.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates wird in Kürze einen Bericht veröffentlichen und einen Beschluss zur Rassendiskriminierung der Krimtataren durch Russland verabschieden. Wie bewerten Sie solche Initiativen?

Im Grunde erstellt die Parlamentarische Versammlung des Europarats einen Bericht über die intentionalen und unwahren Behauptungen von ehemaligen krimtatarischen Politikern in der Ukraine, die natürlich dem Ruf Russlands schaden sollen. Es ist bekannt, dass die Parlamentarische Versammlung des Europarates ähnliche Berichte über viele Länder veröffentlicht, auf die sie Druck ausüben möchte.

Die Behauptung, dass Russland Rassendiskriminierung gegen die Krimtataren betreibe, ist inakzeptabel. Als Krimtataren, die nicht von außen auf die Halbinsel schauen, müssen wir betonten, dass solche Anschuldigungen keinen Sinn machen. Wir erlebten als Interessensvertretung der türkischen Minderheit keinen solchen Zwischenfall.

Es ist auch zu sehen, dass Europa und der Westen im Allgemeinen eine massive Desinformationskampagne über die muslimisch-krimtatarische Minderheit auf der Krim betreibt. Die USA und andere NATO-Staaten missbrauchen die Krimtataren für ihren neuen Kalten Krieg gegen Russland.

Die Krimtataren beherrschten die Halbinsel jahrhundertelang, bis die Herrschaft an das Zarenreich Russland und dann an die Ukraine überging. Würden Sie die Ereignisse von 2014 als russische Annexion bezeichnen?

Nein, weil die Krim nach der osmanische Herrschaft im 18. Jahrhundert direkt an das zaristische Russland überging und wir über 200 Jahre mit Russland zusammenlebten.

Im Grunde gehörte die Krim auch nie zur Ukraine, weil die Bezugspunkte der Krim stets zwischen Russland und dem Osmanischen Reich verliefen. In diesem Zusammenhang möchten wir bemerken, dass die heutige Ukraine einige Territorien mit einschließt, die traditionell zum Krimkhanat gehören.

Im Jahr 1954 entschied das Politbüro der KPdSU, dass der Oberste Sowjet der Ukraine die Kontrolle über die Krim übernimmt. Das hat aber seine Gründe. Auf diese Weise ließ sich eine günstige Verbindung zur Wasser- und Strominfrastruktur herstellen. Gleichzeitig widersprach die RSFSR der Entscheidung über die Krim. Das sowjetische Politbüro hat diese Einwände jedoch nicht berücksichtigt. Mit dem Ende der Sowjetunion fand sich die Krim plötzlich von Russland getrennt wieder. Die Bevölkerung der Region fand sich mit dem Wegfall des gemeinsamen Bandes in Form der Sowjetunion plötzlich in einer neuen Realität wieder, die sie komplett dem Willen Kiews unterwarf. Die Bevölkerung lehnte eine Trennung von Moskau ab. Das Referendum stellte schließlich den natürlichen und historischen Zustand wieder her.

Wenn man über eine Annexion der Krim sprechen will, dann sollte man auch berücksichtigen, dass 70 Prozent der Bevölkerung auf der Halbinsel ethnisch russisch geprägt sind. Allein schon aus dieser Perspektive ist der Vorwurf aus Europa irreführend.

Sie loben Präsident Putin als Befürworter der aus westlicher Sicht untypischen Rechte der Krimtataren. Was schätzen Sie besonders an der Politik des russischen Staatsoberhauptes?

Präsident Putin hat der Zukunft der Krimtataren eine Richtung gegeben. Mit der Unterstützung durch Präsident Putin werden heute Reformen und Entwicklungen für die Krimtataren durchgesetzt. Russland versucht, die Standards der Krim und der Krimtataren zu verbessern. Die Bevölkerung wurde in den 25 Jahren unter der Ukraine politisch und wirtschaftlich vernachlässigt, vor allem die Krimtataren.

Eines der ersten Gesetze, das die Russische Föderation nach dem Ende der Sowjetunion erließ, war die Rehabilitation der Völker, die während und im Zuge des Zweiten Weltkrieges vertrieben wurden. Krimtatarische Politiker haben dasselbe über Jahre auch in der Ukraine gefordert, doch Kiew berücksichtigte das nicht. Warum wird darüber im Westen nicht geredet?

Wladimir Putin, der Präsident der Russischen Föderation, ging sogar einen Schritt weiter. Er hat am 21. April 2014 die Resolution 268 unterzeichnet. Das war nur kurz, nachdem die Krim 2014 infolge des Referendums Russland beitrat. Mit dieser Initiative wurde die Verbesserung, Wiedergeburt und Entwicklung der Krimtataren staatlich unterstützt und entsprechende Maßnahmen ergriffen. Dieses Dekret ist eine historische Entscheidung, auf die die Krimtataren seit 1944 warteten.

Die Europäische Union hat erklärt, dass sie die jüngsten Wahlen auf der Krim nicht akzeptieren wird. Wie gehen Sie als Krimtataren mit solchen einseitigen Entscheidungen um?

Die Entscheidung der Europäischen Union, die jüngsten russischen Wahlen auf der Krim nicht zu akzeptieren, widerspricht der Idee von Demokratie, auf der sich die EU beruft. Ich möchte warnen, dass diese aggressive Haltung der Europäischen Union die Grundlage für ihre künftige Desintegration sein kann.

Ein großer Teil der Bevölkerung der Krim hat an den Präsidentschaftswahlen teilgenommen. Die überwältigende Mehrheit der Wähler auf der Halbinsel gab ihre Stimme Wladimir Putin - nicht ohne Grund. Es wird angenommen, dass mehr als die Hälfte der auf der Krim lebenden Krimtataren an der Abstimmung teilnahmen. Die meisten entschieden sich für Präsident Putin.

Wir sind uns sicher, dass das krimtatarische Volk nicht mehr zum Spielball des Westens und vor allem nicht der USA und NATO gemacht werden will. Das erklärt auch die weitgehende Akzeptanz und Kooperation der Krimtataren mit den russischen Behörden.

Es muss verstanden werden, dass die Krimtataren in erster Linie als nützliches Vehikel missbraucht werden, um Russland zu schaden. An den Rechten der Krimtataren ist man nur dann interessiert, sofern sie eine antirussische Haltung haben. Ein wirklich ehrliches Interesse gibt es nicht. Diejenigen, die bei solchen NATO-Spielen mitmachen, sind eine kleine Elite, die kaum Unterstützung auf der Krim genießt.

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