Europa

Ex-Diplomat: "Die Europäische Union muss zu einer Sprache des Friedens zurückfinden"

Wer die Abläufe unvoreingenommen betrachtet, wird nicht umhinkommen, festzustellen: Die EU trägt eine große Mitschuld an der Entwicklung zum Krieg. Der Geist der Charta von Paris wurde von der EU bereits in den 90ern preisgegeben, meint der wirtschaftspolitische Blog Makroskop.
Ex-Diplomat: "Die Europäische Union muss zu einer Sprache des Friedens zurückfinden"© Presidential Office of Ukraine

Es ist ein melancholischer Beitrag, getragen vom Fatalismus gegenüber dem Unausweichlichen, den Michael von der Schulenburg auf dem wirtschaftspolitischen Blog Makroskop veröffentlicht hat. Der Titel lautet "Wird der Ukraine-Krieg zum Verhängnis für die EU?", wobei das Fragezeichen am Ende wohl eher rhetorisch gemeint ist.

Klar in der Analyse und ohne die in Deutschland sonst übliche moralische Hybris, die den Blick auf Zusammenhänge verstellt, benennt von der Schulenberg mit einem einzigen Satz, das, was in Deutschland eigentlich unsagbar ist:

"Die EU trägt eine Mitverantwortung an der sukzessiven Zerstörung der Ukraine."

Er ergänzt:

"Sie verfolgt zudem eine geradezu selbstzerstörerische Außenpolitik."

Für den Ex-Diplomaten ist klar, dass Europa gescheitert ist, an sich selbst gescheitert, an der Idee eines geeinten Europa, so wie sie in der Charta von Paris formuliert wurde. Der Glaube, dass Konflikte in einer guten Art und Weise militärisch gelöst werden könnten, ist zurück und damit der Verzicht auf Diplomatie. Europa wiederholt seine Fehler, hat aus der eigenen Geschichte nichts gelernt.

"In Europa herrscht wieder der Wahnsinn des Krieges. Der Irrglaube, dass nur Waffen Sicherheit bringen können, hat erneut Hochsaison unter europäischen Politikern, in europäischen Denkfabriken und den Medien. Schlimmer noch, die gerade begonnene ukrainische Gegenoffensive soll nun eine militärische Entscheidung bringen, die wir politisch nicht erreichen konnten – oder wollten."

Es mag seiner Arbeit bei den Vereinten Nationen und der OSZE geschuldet sein, dass von der Schulenberg nicht banal und einseitig, wie das in Deutschland üblich ist, den "unprovozierten Angriff Russlands auf die souveräne Ukraine" verurteilt und die Lösung des Konflikts darin sieht, dass sich Russland aus der Ukraine vollständig zurückzieht. Das sind naive Positionen, die von einem mangelnden Willen zeugen, die Komplexität des Konflikts und seine Vorgeschichte zur Kenntnis zu nehmen.

Der Friedenspolitiker sieht deutlich, dass dieser Krieg ein Krieg zwischen der NATO und Russland ist, der in der Ausdehnung der NATO seine Ursache hat. 

"Die Möglichkeit einer auf Vernunft und gegenseitigem Verständnis basierenden friedlichen Lösung des dem Krieg zugrundeliegenden Konfliktes über die Ausweitung der NATO zu finden, scheint in der nun herrschenden kriegerischen Atmosphäre in Europa nicht in Betracht gezogen zu werden. Diese erschreckende Unverantwortlichkeit können wir Europäer nicht nur Russland oder den Vereinigten Staaten anlasten. Auch die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten tragen eine Verantwortung für die Katastrophe, die nun Europa befallen hat – vielleicht sogar die maßgebende Verantwortung."

Dieser Satz nimmt das Ende des Krieges auch vorweg: Russland bekommt die Sicherheitsgarantien zugestanden, um die es noch im Dezember 2021 nachgesucht hat. Entweder durch das Zurückdrängen der Ukraine oder durch Verhandlungen. Dass es allerdings zu Verhandlungen kommen könnte, sieht der Autor skeptisch. 

“Mit dem Ausbruch des Krieges hat sich die EU nach anfänglichem Zögern sogar zu einer militärischen Eskalation des Konflikts hinreißen lassen, die heute selbst jene der USA übertrifft. [...] Dabei sollte doch Frieden und nicht Krieg das Hauptanliegen der EU sein. Dennoch hat die EU weder einen eigenen Friedensplan entwickelt noch eine diplomatische Friedensinitiative unternommen und lehnt selbst einen Waffenstillstand strikt ab.”

Die Verantwortung für den Verlust der Idee eines friedlichen, zusammenwachsenden, gemeinsamen Hauses Europa sieht von der Schulenberg bei der frühen Abkehr der EU vom Geist der Charta von Paris. Der Eskalationswille der EU ist gerade im Hinblick auf die Ukraine deutlich erkennbar, die von der EU zu einer Entweder-oder-Entscheidung gedrängt worden war. 

"Auch nach der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 zeugten die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen regelmäßig von der tiefen Spaltung des Landes in zwei etwa gleichgroße pro-ukrainische und pro-russische Bevölkerungsteile. Eine Spaltung, die auch das Land geographisch zwischen der West- und Zentralukraine einerseits und der Ost- und Südukraine anderseits teilt. [...] Wäre es der EU wirklich um den Erhalt und Stärkung der Ukraine gegangen, hätte sie den Zusammenhalt und das Harmoniebestreben zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen unterstützen müssen. Die EU hätte die Fortsetzung des Projekts einer binationalen und föderalen Ukraine, wie es 1991 proklamiert wurde, mit aller Kraft fördern sollen. Sie hat das Gegenteil gemacht und sich auf die Seite einer von einem mono-ethnisch ukrainischen Nationalismus geprägten Politik gestellt."

Aber die Politik der EU schadet nicht nur der Ukraine, sondern auch ihr selbst. Sie verliert den Zugang zu russischen Ressourcen. Der durch die Sanktionen errichtete neue Eiserne Vorhang könnte noch undurchlässiger sein als der des Kalten Krieges, meint von der Schulenberg. Die EU begibt sich in eine gefährliche Abhängigkeit zu den USA und schaufelt sich ökonomisch ihr eigenes Grab. 

Die EU müsse zu einer Sprache des Friedens zurückfinden, fordert er.

"Dazu wird sie Mut brauchen – Frieden braucht sehr viel Mut."

Dass es an diesem Mut gerade fehlt, macht seine Analyse allerdings auch deutlich. Impulse für den Frieden kommen aus allen Teilen der Welt. Selbst die USA diskutieren über den Ausstieg aus der Eskalation. Nur aus der EU kommt nichts, was dem Frieden oder auch nur dem Selbsterhalt dienen könnte. 

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