Europa

Doppelter Sold lockt westliche Söldner in die Ukraine

Auf einer westlichen Webseite, die kampferfahrenen Söldnern Verträge anbietet, wurde eine Anzeige geschaltet: "Arbeit in der Ukraine" – für ein- bis zweitausend Dollar pro Tag, weit mehr als üblich. Warum sind die Söldner in der Ukraine so teuer geworden?
Doppelter Sold lockt westliche Söldner in die UkraineQuelle: Gettyimages.ru © Pierre Crom / Kontributor

Eine Analyse von Rafael Fachrutdinow, Olesja Otrodowa und Darja Wolkowa

Das internationale Jobportal Silent Professionals, das auf Sicherheitsdienste von Privatdetektiven bis hin zu privatem Sicherheitspersonal spezialisiert ist, veröffentlichte ein Stellenangebot mit dem Titel "Sicherheitskräfte für Evakuierung – Ukraine". Die Aufgabe besteht darin, Zivilisten und Militärangehörige aus verschiedenen Städten der Ukraine zu evakuieren. Zu den geforderten Voraussetzungen gehören: mindestens fünf Jahre Kampferfahrung, Handhabung von sowjetischen und modernen NATO-Waffen, kritisches Urteilsvermögen, Umgang mit Karte und Kompass, körperliche Fitness.

Dem Bewerber wird ein Vertrag mit einem Gehalt von ein- bis zweitausend Dollar pro Tag geboten – mit Zulagen, die mit jedem Bewerber persönlich ausgehandelt werden sollen. Der Arbeitgeber – eine ungenannte US-amerikanische Organisation – nennt die Anforderungen, die an einen potenziellen "Mitarbeiter" gestellt werden. Wünschenswert seien Kenntnisse der russischen, ukrainischen, polnischen, slowakischen, ungarischen, rumänischen oder moldawischen Sprache sowie die Staatsangehörigkeit eines Nachbarstaates der Ukraine. Ein Reisepass eines der EU- oder Schengen-Länder ist ebenfalls erlaubt.

Die Anzeige wurde bekannt gemacht vom Portal ukraina.ru und vom Chefredakteur der Nachrichtenagentur Regnum Juri Barantschik, in seinem Telegram-Kanal. "In dieser öffentlichen Stellenausschreibung heißt es, dass die Anforderungen an Bewerber für Aufgaben als 'Sicherheitspersonal und Rettungskräfte' gestellt werden. Doch die Höhe des Entgelts suggeriert, dass 'Spezialisten mit Kampferfahrung' für risikoreiche Aufgaben rekrutiert werden", schließt Barantschik.

Oleg Krinizyn, Leiter des privaten Militärunternehmens "RSB-Group" und ein Veteran des FSB, merkt an, dass die angebotenen Preise von ein- bis zweitausend Dollar pro Tag deutlich über dem Durchschnittsgehalt eines Kämpfers liegen. "Ich zeige es Ihnen am Beispiel der Söldner im Irak. Damals erhielt die private US-Militärfirma Blackwater, die heute unter dem Namen Academi bekannt ist, Mittel aus dem Pentagon-Budget. Sie bekamen für jeden Kämpfer etwa fünfzehnhundert US-Dollar. Die Söldner selbst erhielten 500-800 US-Dollar pro Tag. Dabei befanden sich diese Kämpfer in den gefährlichsten Sektoren wie Falludschah oder sie waren Teil der Begleitmannschaft", erklärte Krinizyn gegenüber Wsgljad: "Und in den 'grünen Zonen' erhalten dieselben Söldner 200-300 US-Dollar pro Tag."

Laut dem Leiter der russischen PMC, ist seiner Erinnerung nach der absolute Rekord bei den Zahlungen an die amerikanischen Söldner in demselben Irak verzeichnet worden. Damals wurden fünf Kämpfer für drei Tage mit jeweils 30.000 Dollar entlohnt - allerdings begleiteten sie eine Delegation amerikanischer Politiker, die über die Situation in der irakischen Hauptstadt sehr erschrocken waren. "Dabei verließen sie nicht einmal die 'grüne Zone'. Zu der Zeit war ich auch in Bagdad, in dieser 'grünen Zone'. Das ist ein Territorium, das drei Meter hoch eingezäunt ist, mit M1-Abrams-Panzern rundherum und Wachen im Inneren", so der Gesprächspartner.

Nach der Erinnerung des Leiters des privaten russischen Militärdienstes (Gruppe Wagner) war das der absolute Rekord bei den Zahlungen an die US-amerikanischen Söldner im Irak. Damals wurden fünf Kämpfer für drei Tage mit jeweils 30.000 US-Dollar entlohnt. Allerdings begleiteten sie eine Delegation von US-Politikern, die über die allgemeine Lage in der irakischen Hauptstadt sehr erschrocken waren. "Dabei verließen sie nicht einmal die 'grüne Zone'. Zu der Zeit war ich auch in Bagdad, in dieser 'grünen Zone'. Das ist ein Territorium, das von drei Meter hohen Mauern umzäunt ist, mit M1-Abrams-Panzern rundum und Wachen im Inneren", so der Gesprächspartner.

"Daher sind ein- bis zweitausend Dollar pro Tag für Söldner in der Ukraine eher unwahrscheinlich", so Krinizyn. Des Weiteren sprach er seine Zweifel darüber aus, dass die "Arbeit" von US-Glücksrittern gefragt sein werde, geht man von den Besonderheiten des ukrainischen Einsatzgebietes aus. "Momentan fehlt es an Feuerkontakt – alle Konfrontationen beschränken sich auf Artillerieduelle. Und für Söldner (als Einzelkämpfer) gibt es dort im Grunde nichts zu tun", so Krinizyn.

Dennoch bemerken wir dabei, dass seit Beginn der militärischen Spezialoperation Russlands die westliche Presse wiederholt über die Anwesenheit von Kämpfern westlicher privater Militär-"Dienstleister" an der Seite der ukrainischen Streitkräfte berichtet hatte.

So berichteten BBC-Insider Anfang März, dass die Nachfrage nach Söldnern in der Ukraine zunehme, US-amerikanische und europäische Privatunternehmen wären des Öfteren in den Konflikt verwickelt – von Rettungseinsätzen bis hin zu logistischer Unterstützung.

Der Behauptung von Robert Young Pelton zufolge, einem US-amerikanischen Journalisten und Experten für private Militärdienstleister, herrscht heute in der Ukraine ein "Hype" auf dem Markt der privaten Militärfirmen. Der Südafrikaner Tony Schiena, CEO des privaten Sicherheitsunternehmens MOSAIC (Multi Operational Security Agency Intelligence Company), sagte, man arbeite in der Ukraine bereits mit Privatkunden, Unternehmen und politisch exponierten Personen zusammen und helfe, diese aus der Ukraine zu evakuieren.

Sicherlich beschränken sich die Aktivitäten westlicher Söldner in der Ukraine nicht allein auf "humanitäre" Evakuierungseinsätze. Beispielsweise kämpften die Briten Aidan Aslin und Shaun Pinner, die bei Verhören in der Volksrepublik Donezk (DVR) über ihren vertraglichen Dienst für die ukrainische Armee im 36. Regiment der ukrainischen Marinesoldaten berichteten. Ein Mann, der Aslin sehr ähnlich ist, schrieb 2021 ausführlich auf Instagram, dass er zuvor bereits für kurdische Verbände in Syrien "gearbeitet" und dann in den Einheiten der ukrainischen Armee im Donbass gedient habe.

In einem Bericht des Fernsehsenders "Rossija 1" wurde angemerkt, es gebe laut Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen insgesamt etwa 16 ausländische militärische Formationen in den Strukturen der ukrainischen Streitkräfte. Darunter sind Vertreter von neun privaten Militärdienstleistern aus den USA, Großbritannien, Deutschland, Polen und der Türkei. Am häufigsten werden die US-amerikanischen Unternehmen Academi (ehemals Blackwater) und Greystone genannt.

Der Militärexperte Wladislaw Schurygin erklärt: "Es gibt einige Typen von Söldnern. Neben einzelnen hochrangigen Spezialisten gibt es auch private Militärkompanien und Abteilungen, die als Einheiten an die Front kommen. Und dann gibt es noch die 'Wildgänse', also Söldner, die selbständig an die Front gelangen. Einige von ihnen werden zu separaten Einheiten zusammengefasst, die anderen kämpfen im Verbund mit ukrainischen Truppen."

Und Schurygin fährt fort: "Es gibt noch den vierten Typ. Das sind Einheiten aus Polen und anderen Nachbarländern der Ukraine. Sie arbeiten in gesonderten Kampfgruppen. Das Wichtigste für sie ist, Kampferfahrung zu sammeln." Er fügte hinzu, dass die Ukraine dafür zu einer spezifischen Region geworden sei, weil es ja "in den letzten 70 Jahren keinen so groß angelegten Krieg auf dem Gebiet Europas gegeben hat".

Die Sachverständigen stellen zwei Vermutungen darüber an, warum auf dem Portal Quiet Professionals eine derart gut bezahlte Stelle ausgeschrieben wurde. Zweitausend Dollar werden nur an hochqualifizierte Fachleute gezahlt, die "nicht angeworben, sondern gesucht und zum Dienst eingeladen werden", so Schurygin. "Diese Menschen sind in der Lage, mit sehr anspruchsvoller Ausrüstung umzugehen, und sie können andere schulen, Ausbildungsoffiziere sein. Und gewöhnliche Söldner werden bestenfalls für 500 Dollar pro Tag rekrutiert", so der Experte. Daraus kann man also schließen, dass einige hochkarätige Spezialisten über das Portal angeworben werden.

Übrigens gibt es den Experten zufolge auch noch andere Erklärungsmöglichkeiten. Der Einsatz unter schwierigen Bedingungen gegen eine gut ausgerüstete reguläre Armee und oft in urbanen Regionen – und nicht etwa gegen paramilitärische oder schlecht ausgerüstete Formationen wie in Syrien oder afrikanischen Ländern –  wird besser bezahlt. "Wildgänse" werden durch eine solche Anzeige bestimmt angelockt. Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass sich diese Personen selbst einem sehr hohen Risiko aussetzen. Daher der hohe Preis. "Die ukrainischen Befehlshaber machen keine Anstalten, Söldner in die gefährlichsten Gebiete an der Front zu schicken", sagt Alexander Michailow, Mitglied des Rates für äußere Verteidigungspolitik und FSB-Generalmajor der Reserve.

Als Beispiel sei hier noch ein Bericht vom französischen Fernsehsender TV5Monde angeführt, der Anfang August über die "Arbeitsschwierigkeiten" von ausländischen Söldnern sprach. Sie beklagten, dass man von der ukrainischen Militärführung unzuverlässige Informationen erhalte und dass die ukrainischen Kämpfer völlig antriebslos und demotiviert seien – außer wenn sie Gefallene ausplündern könnten.

Der doppelte Sold für die "Arbeit" solcher Ausländer ist das Ergebnis der bekannten Gegenoffensive des ukrainischen Militärs in der Region Charkow. Es ist klar, dass die Verluste unter den Söldnern dabei sehr hoch waren. Nun ist man in den Vereinigten Staaten bereit, alles zu tun, um mehr Menschen dafür zu rekrutieren. Es ist eine Art Methode, um Söldner anzulocken", meint Konstantin Siwkow, Doktor der Militärwissenschaften.

Einige der ausländischen Söldner machen lediglich Werbung für ihre angebliche Teilnahme an Kampfhandlungen in der Ukraine, während andere tatsächlich an die Front geschickt werden und dort unter dem Feuer der Alliierten sterben, so Krinizyn. "Die ganze Welt erlebt, wie russische Aktionen die Einheiten der Söldner auslöschen. Und das erhöht nicht gerade die Bereitschaft anderer potenzieller Söldner, sich an diesem Konflikt zu beteiligen", unterstrich der Leiter der RSB-Gruppe. So wurde beispielsweise am Donnerstag bekannt, dass die russischen Luftstreitkräfte bis zu 80 Söldner der ukrainischen "Fremdenlegion" in der Nähe von Nikolajewka vernichtet haben, wie RIA Nowosti unter Berufung auf den Pressedienst des russischen Verteidigungsministeriums berichtete.

"Selbstverständlich bedeutet dieser doppelte Sold für die 'Arbeit' in der Ukraine, dass ein Söldner mit größerer Wahrscheinlichkeit getötet oder gefangen genommen wird", sagt Siwkow. "Doch für die Schlachtbank gibt es sicherlich keine Freiwilligen. Würden Kiew und Washington über genügend Militärpersonal verfügen, so müssten sie nicht den Sold verdoppeln. Es zeigt sich, dass es entweder überhaupt keine Söldner mehr gibt, oder dass es keiner mehr sein will."

Übersetzt aus dem Russischen

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