Ukrainischer Präsident lässt den letzten verbliebenen Oppositionssender abschalten
In der Ukraine hat Präsident Wladimir Selenskij am Freitag den sechsten und damit letzten verbliebenen oppositionellen Nachrichtensender innerhalb eines Jahres geschlossen. Ohne Gerichtsentscheidung, nur mit einem Präsidentenerlass wurden dem Fernsehsender Nasch ("Unser [Sender]") am Freitagabend die Sendelizenzen entzogen und das Vermögen der Betreibergesellschaft für fünf Jahre blockiert. Innerhalb weniger Stunden war der Sender in allen Kabelnetzen landesweit abgeschaltet.
Das Staatsoberhaupt kommentierte die Entscheidung in den sozialen Netzwerken am Freitagabend mit den Worten: "Ein nicht wirklich unsriger, (nicht wirklich) ukrainischer Fernsehsender hat gelitten." Begründet wurde der auf Antrag des Geheimdienstes SBU erfolgte Vorgang nicht.
Selenskij hatte im vergangenen Jahr bereits fünf regierungskritische TV-Sender und zwei Onlineportale schließen lassen. Kritiker werfen dem 44-Jährigen Willkür und autoritäre Tendenzen vor. Insbesondere wird kritisiert, dass alle Abschaltungen und Schließungen nicht wie gesetzlich vorgesehen per Gerichtsbeschluss erfolgten.
Anfang Februar 2021 hatte Selenskij nach einem entsprechenden Beschluss des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrates (SNBO) bereits drei der Opposition nahestehende Fernsehsender abschalten lassen. Dabei hatte es sich um die TV-Sender NewsOne, ZIK und 112 Ukraine gehandelt, die am 4. Februar aus allen ukrainischen Kabelnetzen und Satellitenfrequenzen verschwunden waren. Im April 2021 löschte auch Youtube die Konten dieser Fernsehsender auf Druck der ukrainischen Regierung. Der SNBO untersteht unmittelbar dem Präsidenten und ist damit das zweitwichtigste Regierungsorgan im Staat.
Ein durch die Journalisten der drei verbotenen Sender gegründeter neuer Kanal mit dem Namen Erster Unabhängiger war im Februar 2021 noch am Abend des Sendebeginns wieder abgeschaltet worden.
Am 20. August 2021 hatte der ukrainische Sicherheits- und Verteidigungsrat Sanktionen gegen 24 natürliche und juristische Personen verhängt, darunter ein Rada-Abgeordneter und mehrere Nachrichtenseiten und Verlage. Von den damals verhängten Sanktionen betroffen sind unter anderem Igor Guschwa, Chefredakteur der regierungskritischen Nachrichtenseite strana.ua sowie der mit dem Portal in Verbindung stehende Verlag, Anatolij Scharij, in Spanien im Exil lebender Journalist und Politblogger mit zweieinhalb Millionen Abonnenten auf Youtube sowie dessen Frau Olga, Chefredakteurin des Nachrichtenportals sharij.net, und deren Mutter. Obwohl alle Betroffenen gegen die nach ihrer Auffassung ungesetzlichen Maßnahmen klagten, ist eine gerichtliche Klärung nach wie vor nicht in Sicht.
Am 28. Dezember 2021 unterschrieb Selenskij einen weiteren Erlass, der das Verbot und die Abschaltung von zwei weiteren oppositionellen Fernsehsendern anordnete.
Der Sender Nasch war seitdem der einzige verbliebene Sender, auf dem Abgeordnete der in der Rada vertretenen Partei "Oppositionsblock" zu Wort kamen und auf dem nicht nur prowestliche und ukrainisch-nationalistische Narrative berichtet wurden. Beobachter vermuten, dass dies überhaupt nur möglich war, weil der frühere Eigentümer dieses Senders, der Politiker und Geschäftsmann Jewgeni Murajew, massive Zugeständnisse gegenüber Selenskijs Präsidialamt gemacht hatte. So berichten zahlreiche Beobachter übereinstimmend, dass Selenskij selbst kaum noch kritisiert wurde und zahlreiche Persönlichkeiten, die zuvor häufige Studiogäste oder Gesprächspartner bei Zuschaltungen gewesen waren, nicht mehr gezeigt wurden. Wenn es solche Vereinbarungen im Hintergrund gegeben hatte, dann brach der ukrainische Präsident sie nun.
Auf Sendung war der nun verbotene Sender erstmals im November 2018 gegangen. Mitte 2021 übertrug Murajew die Anteilsmehrheit an der Betreibergesellschaft den für den Sender tätigen Journalisten.
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